01.10.12

Aktienpreise steigen – aber warum nur?


Das ist der Kursverlauf des S&P 500-ETF in USD. Seit Juni steigen die Preise kontinuierlich an.

Gleichzeitig wachsen gemäß den »Marktkommentatoren« die Risiken über alle Maßen. Hier eine kleine Auswahl der Argumente aus den USA:
  • Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession innerhalb der nächsen 12 Monate beträgt 48%, wenn die US-Wirtschaft zwei aufeinanderfolgende Quartale weniger als 2% gewachsen ist. Hält diese Phase 12 Monate an, steigt die Rezessions-Eintritts-Wahrscheinlichkeit auf 70%. 
    In den letzten beiden Quartalen betrug das Wirtschaftswachstum in den USA 1,6%. In den beiden Quartalen davor betrug es 1,8%. Daraus schließt man messerscharf auf eine Eintrittswahrscheinlichkeit größer 50% für eine Rezession.
  • Letzte Woche schockierte eine weitere statistische Größe die Auguren: Die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter sanken so stark, wie zuletzt im Januar 2009 (ohne Flugzeugorders: -12,4%). Der Auftragsbestand (die Auftragspipeline) sank bedrohlich um 1,7% (auch dies die größte Abnahme seit 2009). 
  • Nicht genug: Die Unternehmenslenker in den USA sind pessimistisch. Es gibt einen »CEO Economic Outlook Index«, der seit mehreren Jahrzehnten durch Befragung ermittelt wird. Dieser sank von 89 im 2. Quartal auf aktuell 66. Das ist der dritt stärkste Fall dieses Index. Die Mehrheit der Unternehmensführer plant in den nächsten sechs Monaten Personal abzubauen.
  • Das US-Haushaltseinkommen ist seit 2009 um 5,7% gesunken –  trotz Aufschwung in den USA. Während der offiziellen Rezession 2008/9 sank das Haushaltseinkommen nur um 2,7%. Der bisherige Aufschwung ist also nicht bei den US-Haushalten angekommen. Ohne solvente Hauhalte, kein konsumgetriebener Aufschwung, kein Bedarf an langlebigen Wirtschaftsgütern, weniger Arbeitsplätze und noch weniger solvente Haushalte – und so weiter und so fort.
Trotz alledem steigen die Aktienpreise. Ein unbefangener Beobachter fragt sich: Wie kann das sein? Schließlich bewerten die aktuellen Aktienpreise die erwartete Entwicklung eines Unternehmens. Und die ist eindeutig negativ.

Eine mikroökonomische Betrachtung  kommt hier tatsächlich an ihre Grenzen. »Erklären« kann man die Preisbewegungen nur bei Betrachtung des makroökonomischen Umfelds und einer Betrachtung der Bewertung verschiedener Assetklassen. 

Seit der letzten Aktienmarkt-Blase im Jahre 2000 ist die Bewertung von Aktien stetig zurückgegangen. Gleichzeitig ist die von Anleihen stetig angestiegen, zuletzt maßgeblich, weil die Zentralbanken maßlos Liquidität bereit gestellt haben und sich überraschenderweise keine Inflation einstellte.

Anstatt beide Assetklassen über ihren KGV zu vergleichen, kann man versuchen, die Assetklassen über die von den Marktteilnehmern verlangten Risikoaufschläge für Aktien gegenüber dem Bezug von Investmentgrade Anleihen zu bewerten (Equity Risk Premium= ERP). In diese Kennzahl geht auch die Volatilität der Aktienmärkte ein.

Im Juli betrug der Risikoaufschlag von Aktien gegenüber Anleihen 9%.

Im historischen Durchschnitt beträgt der ERP ca. 4%. Goldman Sachs bewertet die aktuellen Unsicherheiten an den Kapitalmärkten mit einem Aufschlag auf den »normalen ERP« von 2,75%. Der Abbau eines Prozents der Risikoprämie am Aktienmarkt treibt die Aktienpreise um 20% in die Höhe. Seit Juli sind die Aktienpreise (gemessem am S&P 500) um 4% gestiegen.
Die Bewertung der Anleihen ist konstant.

Unter der Annahme, dass die Bewertungsgrundsätze für die Unternehmen seit Juli konstant sind und sich die Anleihenrenditen nicht verändern, kommt man bei dieser Betrachtung auf eine noch mögliche Preisanhebung für Aktien von sagenhaften 41%.

Unter diesen Umständen verwundert es dann wenig, dass die pessimistischen Analystenkommentare zwar den Pessimismus der Marktteilnehmer schüren und dies den Preisanstieg der Aktienpreise bremst. Der positive Preistrend wird hierdurch nicht gebrochen.
Man muss schon eine sehr negative Marktsicht haben, um selbst einen konstanten ERP zu rechtfertigen. Im Ergebnis sind Aktien preiswert und im Gegensatz zu Anleihen ein klarer Kauf.

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