07.12.12

Aktienpreise steigen – aber warum nur? (Teil 2)

Anfang Oktober beleuchtete ich in einem Tagebucheintrag den damals für viele räselhaften Preisanstieg, hauptsächlich an den US-Aktienmärkten.

Als preistreibende Komponente identifizierte ich damals die unattraktiven Anleihenrenditen, die Investoren scharenweise in die Fänge der risikobehafteten Aktienmärkte treiben.

In einem Marktkommentar hat HSBC heute den Renditeverlauf deutscher Staatsanleihen mit 10 Jahren Restlaufzeit seit Juli 2009 abgebildet: Anfang Oktober betrug die Rendite 1,6 Prozent. Derzeit erzielen diese Anleihen eine Rendite von etwas mehr als 1,3 Prozent pro Jahr. Seit Oktober ist die Rendite also um fast 0,3 Prozent gefallen. Fast identische Entwicklungen sind in England, Japan und den USA zu beobachten.

Deshalb überrascht die aktuell freundliche Tendenz an den Aktienmärkten zum Jahresausklang wenig.

Interessant ist jedoch die Entwicklung des US-Aktienmarkts, wo immer klarer wird, dass die automatischen Steuererhöhungen (Fiscal Cliff) ab Januar 2013 kaum vermieden werden können. Die US-Parlamentarier haben noch eine Woche Zeit sich irgendwie zu einigen, bevor in Washington die Weihnachtsferien beginnen. 

Präsident Obama und die in der letzten Wahl siegreichen Demokraten treiben die Republikaner derzeit regelrecht vor sich her. Frei nach dem Motto »Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf« wurden sogar die Wahlkampftruppen zur Unterstützung der Position der Demokraten reanimiert. 
Die Erfolge bleiben nicht aus. Immer mehr »Hardliner«, die ohne Gesichtsverlust unmöglich einem Kompromiss zustimmen können, verlassen die politische Bühne. Zuletzt strich selbst der selbsternannte »Tea Party Senator« "Jim DeMint" aus South Carolina die Segel. Er gibt sein Kongressmandat auf und zieht sich in den konservativen Think-Tank »Heritage Foundation« zurück.
Die Stimmung unter den verbliebenen Republikaneren fasste Bobby Jindal aus Louisiana so zusammen:
“At present, any reading of the headlines over the past week indicates that Republicans are fighting to protect the rich and cut benefits for seniors. It may be possible to have worse political positioning than that, but I’m not sure how.”

Wie ein in die Ecke getriebenes Tier könnten die verbliebenen Republikaner den politischen Suizid einem wie auch immer gearteten Kompromiss vorziehen und die USA ins »Fiscal Cliff« stürzen lassen.  

Diese Gemengelage reflektiert der Aktienpreisverlauf der letzten Wochen.
Hier ein Jahres-Chart des S&P-500-ETF (weiss) und des Stoxx-50-ETF(blau), beides in USD.

Entsprechend der weiter gesunkener Renditen für Anleihen steigen die Aktienpreise in Europa seit einigen Wochen wieder. In den USA dämpft die Sorge um die Auswirkungen des »Fiscal Cliffs« diesen Prozess. Sobald hier Klarheit herrscht, dürften die US-Aktienindizes den europäischen in ihrem Preisverhalten folgen.

Grundsätzlich ist das im Oktober entworfene Szenario zur »Erklärung« steigender Aktienpreisnotierungen also weiterhin intakt.


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