Im aktuellen Spiegel (Nr. 15/2013) kommentiert Carmen Reinhard, die Co-Autorin des Buchs »This time is different« (Rogoff/Reinhard) das derzeitige ökonomische Umfeld. Der Fokus liegt auf der expansiven Geldpolitik der Notenbanken der Industrieländer.
Reinhard führt aus, dass Zentralbanken erst in den 1970er Jahren unabhängig geworden sind, als diese nämlich teilweise gegen den Willen der Politik die Inflationsbekämpfung erzwangen. Die folgende Phase wird auch »Monetarismus« genannt – und ist offenbar abgeschlossen. Nach Reinhard schwingt das Pendel mit der Finanz- und Solvenzkrise wieder zurück. Weltweit exekutieren die Notenbanken den Willen der jeweiligen Regierung. Das gilt natürlich auch für die EZB. Hier ist nur die Frage, wer gerade das Sagen hat.
Danke, Frau Reinhard. Dieses Statement ist Wasser auf meinen Mühlen. Da der Einfluß der deutschen Regierung wegen der Bundestagswahl im Herbst immer schwächer wird, dürfte sich die EZB den Vorstellungen Frankreichs und Italiens annähern. Unter diesem Aspekt macht die jüngste PR-Aktion von George Soros wieder Sinn. Er hatte in der vergangenen Woche weiträumig seine Forderung nach der Einführung von Euro-Bonds gestreut – und damit natürlich zunächst überall Kopfschütteln geerntet. Sollte der Einfluß der Mittelmeeranrainer im Jahresverlauf stärker werden, und sich in Berlin ein Machtwechsel andeuten, dürfte diese Diskussion erneut mit Vehemenz einsetzen. Der »Fuchs Soros« hätte sich in diesem Fall bereits sehr frühzeitig öffentlich zu seiner Investmentstrategie bekannt und könnte nicht mehr so leicht als böse Heuschrecke bloßgestellt werden.
Im weiteren Verlauf des Interviews legt Frau Reinhard den Finger in die offene Wunde der Zentralbanken: Finanzielle Repression (also die künstliche Absenkung der Renditen für Staatsanleihen) hilft den überschuldeten Staaten, indem sie kurzfristig die Kosten für bereits angehäufelten Schulden begrenzt. Solange die Summe der Verbindlichkeiten jedoch wächst, ist die Finanzielle Repression schlicht eine Methode, Zeit für eine mögliche Lösung zu kaufen. »Wenn die Zentralbanken anfangen, Schulden zu kaufen, werden sie irgendwo auf diesem Weg Inflation produzieren. Das ist sicher. Das gilt selbst für Japan!« Dann: »Die Geschichte lehrt, dass Staaten selten aus den Schulden herauswachsen. Sie brauchen eine Kombination aus Austerität und hoher Besteuerung. Das ist am Ende eine subtile Form der Besteuerung.«
In der Konsequenz zahlen alle, die mittelbar oder direkt Staatsanleihen halten, die Zeche. Das sind konservative Sparer, alle Mitbürger mit Rentenversicherungen und alle, die in die Rentenkasse einzahlen. In Europa sind die Versicherungen nach dem Crash der Jahre 2003/3 gezwungen worden, den Großteil der Einlagen in Staatsanleihen anzulegen. Damals war von finanzieller Repression noch nicht die Rede. Jetzt ist dies für die Staaten natürlich eine willkommene Unterstützung - schließlich ist der Absatz der Staatsanleihen bei fast jedem Renditeniveau gesichert.
Wie das Beispiel Japan gerade zeigt, kann die Regierung sich jede noch so sinnlose (geldpolitische) Maßnahme ausdenken – die Versicherungen sind gezwungen, in jeden sauren Apfel zu beißen und dies durch die Abnahme niedrig verzinster Staatstitel zu adeln. In England ist die Notenbank bereits so weit, dass die Renditen der GILT's wegen fehlendem Volumen am Zweitmarkt immer weiter sinken. Vielleicht drückt die Erwartung einer ähnlichen Entwicklung in Frankreich und Italien die Renditen in diesen beiden Ländern bereits heute.
Auch wenn die Renditen für Staatsanleihen global auf Allzeittiefständen notieren, ist es derzeit absurd, auf eine kurzfristige Trendumkehr zu setzen. Dafür muss man schon George Soros heißen und öffentlich die Emission von Euro-Bonds fordern. Das wäre ein klassischer Tipping-Point, der eine neue Ära für Staatsanleiherenditen einläuten könnte.